Story | “Kanisfluh, lebe hoch, in alle Ewigkeit!“

-Statement der Fegg-Familie, Alp-Vorsäss 287-

Ein klares Nein zum Kiesgruben Experiment

Die gewerblich-industrielle Nutzung der Kanisfluh (Kiesabbau) dürfte in den nächsten Wochen und Monaten zu einem höchst kontroversen Thema im Hinterwald werden. Der Berg ist in den Augen vieler „Wälder“ ein beinahe heiliger Ort, Wahrzeichen der Region und einzigartiger Anziehungspunkt für Touristen und Besucher aus aller Welt, die in diese Gegend kommen. Wir können den Sturm der Entrüstung seitens der >Kiesgruben-Gegner< prinzipiell nachvollziehen, noch bevor wir alle Argumente des >Pro und Contra< geprüft haben. Warum? Wir lieben dieses Berg-Massiv über Alles. Es begrenzt mit Mittagsspitze und Gopf den südlichen Horizont unserer Alpe Fegg/Bezau, wo wir – als Kölner – bereits drei Generationen zu Hause sind. Es ist ein einzigartiges, absolut verinnerlichtes und magisch besetztes Symbol alpinen Daseins. Es strahlt v.a. eine himmlische Ruhe aus, die nur die Winterlawinen einige Male im Jahr aushebeln.

Ich – Dichter und „Stenograph“ dieses Textes – sehe jeden Tag andere Gesichter im malerisch-skulpturalen Fels – von Menschen, Heiligen, Legenden und Berg-Göttern. Sie kommen und gehen mit dem fantastischen Lichtreflexen auf der Steilwand, mit den mählich vorüberziehenden Jahreszeiten, mit den Nebeln und Wolken, die die Kanis sozusagen als ihre Bühne nutzen, um ständig andere – bisweilen alltägliche, bisweilen dramatische – Schauspiele zu inszenieren. Wenn der Berg buchstäblich aufflammt – morgens oder abends – wenn er das Anliegen der Sonne reflektiert und mit seiner unvoreingenommenen Bereitschaft an seine Bewunderer weitergibt, dann begreife ich schlagartig, was Glück ist, was Paradies sein könnte, was Liebe, wenn sie ohne allen Egoismus von unserem Herzen Besitz ergreift. Dann schreibt sich in mein Fühlen und in meine ewige Sehnsucht die Botschaft ein, dass dieses Monument der Ewigkeit niemals von menschlicher Hand, schon gar nicht von Profitgier, Wirtschaftsdünkel, Unternehmer-Kalkül, Politlügen und simplem Unverstand beschädigt werden darf. Es muss geschützt sein wie ein >Weltkultur-Erbe<, wie der Dom in Köln oder der Rhein zwischen Bingen und Koblenz. Die Kanis muss sich ohne egoistische Einschnitte und ohne törichte Investitionen ihrer Identität für alle Zeiten sicher sein. Wer etwas Anderes will, setzt eine Seelenlandschaft aufs Spiel, die sich schon Jahrtausende bewährt hat und diese Gewissheit von Beständigkeit Tag für Tag in unsere labilen Zeitläufte eingraviert, in unsere wankelmütige Weltsicht und unsere höchst unbeständige humanitäre Identität.

Noch ein ganz persönliches Statement als Schriftsteller zu meinem besonderen Kanisfluh-Verhältnis: Ich habe u.a. Shakespeares „Sonette“ (edition-geistreich, Wien) mit dem Blick auf meinen Lieblingsberg übersetzt, zwischen den Jahren 2000 und 2010. Ein ganzes Jahrzehnt hat mich die Kanis auf unglaubliche Weise inspiriert und motiviert, hat mich nie zweifeln lassen, mir Kraft und Energie in Überfülle gegeben, um eine wunderbare geistige Arbeit im imaginären Steinbruch der Poesie glücklich zu vollenden. So bin ich auch deshalb ein noch entschiedenerer Gegner des Kiesgruben-Experiments, also des Antastbaren, des Respektlosen, des bloß Monetären, des Gierigen, des Dreisten und des Dummen geworden.

Mein Motto der Stunde: „Kanisfluh, lebe hoch, in alle Ewigkeit!“

Reiner Brückner, Barbara Brückner und die Fegg-Familie

(29. Juli 2017, Bezau-Fegg)