Dem Berg keine Wunde schlagen

Am Nordfuß der Kanisfluh ist ein Kiesabbau geplant. Dagegen rührt sich reger Widerstand.

Die Kanisfluh ist nicht einfach irgendein Berg. Das wurde beim gestrigen Pressetermin im Vorfeld zur Eröffnung der Kunstausstellung „Üsa Kanis“ in Mellau von allen Sprechern betont. Um eben dieses Wahrzeichen des Bregenzerwaldes gehen die Wogen seit geraumer Zeit hoch. Denn am Nordfuß des Berges sollen, wenn es nach den Plänen des größten Transportunternehmens der Region geht, in naher Zukunft auf einer Fläche von sechs Hektar über einen Zeitraum von 30 Jahren rund 800.000 Kubikmeter Kies und Felsgestein abgebaut und im Gegenzug Aushubmaterial deponiert werden. Die zu erwartende Lärm- und Staubbelastung und das zusätzliche Verkehrsaufkommen würden insbesondere die Bewohner des Schnepfauer Ortsteiles Hirschau, aber auch Radfahrer und Spaziergänger zu spüren bekommen. Dagegen regt sich allerdings erheblicher Widerstand.

Damit der Kansifluh keine „Landschafts-zerstörende Basiswunde“ zugefügt werden kann, haben sich Mitglieder des Alpenschutzvereins, des Alpenvereins und des Naturschutzbundes mit den Verantwortlichen der Bürgerinitiative „Üsa Kanis“ zusammengetan. Bereits am 22. Juli wurde mit einer Lichterkette auf dem Bergrücken ein sichtbares Zeichen gesetzt, um auf die Thematik aufmerksam zu machen. Mit der Kunstausstellung soll nun die erhaltenswerte Schönheit der Kanisfluh ins Licht gerückt werden. „Bereits die Anfänge des Naturschutzes in Vorarlberg gehen auf das Edelweiß auf der Kanisfluh zurück. Schon 1886 wurde eine Verordnung zum Schutz der Pflanze erlassen“, erklärte Hildegard Breiner als Vertreterin von Naturschutzbund, Alpenschutzverein und Alpenverein. Die Kanisfluh sei für ihren Artenreichtum an Alpenpflanzen, für selten vorkommende Vogel- und Schmetterlingsarten berühmt. Die Steinbockrudel werden von Bergwanderern bewundert und sind für die Tourismuswerbung ein beliebtes Sujet. Doch Lärm und Beunruhigung würden die Tiere vertreiben. „Es darf nicht geschehen, dass ein weiteres Naturjuwel zu Geld gemacht wird“, fand Breiner deutliche Worte.

Prägende Landschaft. Dabei erhielt sie prominente Unterstützung von Architekt Hermann Kaufmann und Primar Reinhard Haller. Letzterer räumte ein, als naturliebhabender Mensch und Mellauer emotional sehr involviert in das Thema zu sein und nannte das Kies- und Schotterabbau-Vorhaben ein „Schändungsprojekt“. Er sei nicht nur in dieser Gegend verwurzelt, sondern beschäftige sich als Psychiater auch mit der Landschaft, die prägend auf das Wesen der in ihr lebenden Menschen wirkt. „Da werden tiefe, unbewusste Schichten berührt. Die Kanisfluh ist bereits von Weitem als landschaftlich herausragendes Merkmal sichtbar und einer der wenigen mythologischen Berge im Land“, formulierte es Haller. Die Kanisfluh nehme dabei sowohl die Rolle des Wächters als auch des gütigen Vaters ein und stehe für Vitalität und Stärke der Talschaft. „Als Gerichtspsychiater muss ich sagen, dass allein der Gedanke, an dieser Stelle einen Kiesabbau zu planen, strafbar erscheint.“ Darüber hinaus werde auf diese Weise auch die uralte Vorsäßlandschaft unweigerlich in Mitleidenschaft gezogen, argumentierte Haller. Er werde deshalb mit allen demokratischen Mitteln gegen dieses „Wahnsinns­projekt“ vorgehen.

Ein „Dammbruch“. Architekt Hermann Kaufmann räumte ein, dass es sich bei Kies um einen wertvollen Baustoff handle, der immer knapper werde. „Doch dass der Abbau nun ausgerechnet am wichtigsten Berg des Bregenzerwaldes vor sich gehen soll, kann ich nicht nachvollziehen.“ Der Anblick dieser Landschaftswunde wäre über Jahrzehnte ersichtlich und würde dem Ansehen des Bregenzerwaldes nachhaltig schaden. Denn schließlich werde gerade die landschaftliche Schönheit der Region touristisch beworben. „Würde dieses Vorhaben grünes Licht erhalten, dann wäre das eine Art Dammbruch“, gab Kaufmann zu bedenken. Dass der Abbau gerade an der Kanisfluh erfolgen soll, sei dabei reiner Zufall. „Weil es eben eine potente Firma in der unmittelbaren Nähe gibt. Doch eigentlich sollte es sich so verhalten, dass das Werk dem Schotter folgt und nicht der Schotter dem Werk.“ Der Architekt befürchtet zudem, dass nach 30 Jahren nicht einfach Schluss sein wird, denn die Baustoffnachfrage sei dann mit Sicherheit noch größer.

Kein Argument. Das Argument, es ginge nur darum, den regionalen Bedarf an Kies- und Schottermaterial zu decken, ließen die Anwesenden nicht gelten. Denn dieses sei auch mit den bereits bestehenden Steinbrüchen im Land zu decken. Wirtschaftliche Interessen einzelner Akteure sollten daher nicht über die Lebensqualität einer ganzen Region gestellt werden.

Kunstausstellung „Üsa Kanis“, 28. Juli bis 20. August im „Alps Hoamat“, Klaus 5 in Mellau. Zu sehen sind Gemälde, Radierungen, Zeichnungen, Skulpturen und Fotografien von Franz Gasser, Ulrike Maria Kleber, Hanno Metzler, Adolf Bereuter und anderen.

Quelle

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